Bei uns auf dem Land muss man heutzutage ja froh sein, wenn man noch eine Postfiliale in erreichbarer Nähe hat. Wir haben sogar eine Filiale der Postbank. Das ist in diesem Fall ein Glück, weil diese nicht von den Rationalisierungs-maßnahmen der Post AG betroffen ist und uns deshalb wohl b.a.w. erhalten bleibt.
Mein Eindruck ist zwar, dass dort mehr Menschen mit dem Verkauf von Briefmarken und Büromaterial und der Annahme von Briefen, Päckchen usw. beschäftigt sind, als mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen, aber das mag täuschen. Das mit den Briefen und Päckchen machen die übrigens super und immer sehr freundlich. Ganz dickes Lob!
Wie das mit den Finanzdienstleistungen ist, kann ich nicht beurteilen und werde ich wohl auch nicht können, nehme ich an. Gestern ist mir dort allerdings ein neuer Prospektständer ins Auge gefallen.
Beworben wir ein neuer Fonds der DWS, der „DWS Top Portfolio Defensiv“. Untertitel: Eine Basisanlage für Ihr Vermögen.
Das interessiert mich ja immer brennend. Bei der DWS frage ich mich sofort:
Haben die wirklich eine neue gute Idee, oder hat die Marketingabteilung mal wieder zugeschlagen?
Ein Blick in das -wie immer bei der DWS toll gemachte- Werbeprospekt verrät uns, dass es sich um einen Mischfonds mit maximal 35% Aktienanteil (im Prospekt wird von „chancenreichen Anlagen gesprochen, womit auch High-Yields, Unternehmensanleihen und Rohstoffe gemeint sind) handelt. Ansonsten können alle Anlageklassen aus dem Wertpapierbereich genutzt werden. Immobilien werden nicht genannt, was sicher an den rechtlichen Regelungen liegt. Immobilien sind nun mal keine Wertpapiere und Immobilienfonds sind derzeit ja eher uncool (aber auch ein sehr schwieriges Thema).
Eine Tücke solcher Anlagen ergibt sich aus dem Satz:
„Mindestens 65% des Vermögens sind in Wertpapiere angelegt, die als wertstabil eingeschätzt werden“.
Das ist fein, aber leider können solche Einschätzungen sich schnell als Fehleinschätzungen erweisen, wie die Lehmanpleite und die folgende Finanzkrise uns gelehrt hat. Aber dieses Risiko ist Systemimmanent, wer das und alle anderen Risiken bie der Kapitalanlage sicher vermeiden will, darf in fast gar nichts mehr investieren.
Ein wichtige Zusatzinformation, die ich im Werbeprospekt nicht gefunden habe, liefert uns die Internetseite der DWS:
„Ziel der Anlagepolitik ist die Erwirtschaftung eines positiven Anlageergebnisses.“
Es handelt sich also von der Grundidee her um einen Absolute-Return-Fonds. Andere würden auch von einem vermögensverwaltenden Fonds oder einem Vermögensverwaltungsansatz sprechen. Das bedeutet, dass der Fonds, über einen bestimmten Zeitraum betrachtet, unter dem Strich nie Geld verlieren soll.
Das ist interessant, denn so eine Vorgabe lässt sich nur schwer ohne den Einsatz von Derivaten, also Instrumenten mit welchen man auch bei fallenden Kursen Gewinne erzielen kann (z.B. Put-Optionen oder Short-Futures), umsetzen. Von diesen ist aber weder im Werbeprospekt noch auf der Website etwas zu lesen. Nur bei den Risikohinweisen im Werbeprospekt wird kurz auf deren Risiken eingegangen.
Meine Vermutung: Das DWS-Marketing weiss genau, dass diese Instrumente fälschlicherweise in dem Ruf stehen, Teufelszeug der bösen Spekulanten zu sein und verzichten deshalb auf deren explizite Benennung. Das Fondsmanagement wird sich davon (hoffentlich) nicht beeindrucken lassen.
Interessant ist auch der Satz:
„Kapitalverlust mittel- bis langfristig unwahrscheinlich.“
bei der Risikobeschreibung auf der Internetseite. Ich weiß nicht, ob das selbstbewusst, mutig oder frech ist. Schaumermal!
Wir können uns also merken, dass der Fondsmanager die Vorgabe hat, mittel- bis langfristig kein Geld (nach Kosten) zu verlieren. Er wird also recht vorsichtig zu Werke gehen müssen, was ja auch das „Defensiv“ im Fondsnamen schon ankündigt.
Da sind wir schon beim Stichwort: Fondsmanager. Er heisst Werner Eppacher und war früher einmal „Leiter des Währungsteams im Fixed Income Bereich der DWS“. Das bedeutet, dass er sich hauptsächlich mit der Frage beschäftigt hat, wie sich Euro, Dollar, Pfund, Yen usw. zueinander verhalten und seine Erkenntnisse an die Manager von Rentenfonds (Fixed Income) weitergegeben hat. Diese mussten dann seine Empfehlungen bei er Verwaltung ihrer Fonds berücksichtigen.
Seit 1.1.2011 trägt Werner Eppacher, zusammen mit einem Herrn Michael Bachschuster, die Verantwortung für den ebenfalls defensiven Mischfonds „DWS Vermögensmandat-Defensiv“. Ob das nur eine zusätzliche Aufgabe oder ein Wechsel im Tätigkeitsfeld ist und was ggf. die Gründe hierfür sein mögen soll uns hier nicht interessieren. Das Ergebnis des Vermögensmandat-Defensiv ist jedenfalls nicht schlecht. Das für solche Strategien extrem schwierige Jahr 2011 wurde mit einem leichten Plus abgeschlossen und, was viel wichtiger ist, die Schwankungen waren hierbei sehr moderat. Solides Handwerk möchte ich das nennen. Allerdings ist der Zeitraum noch recht kurz von daher die Aussagekraft eher begrenzt. Es erscheint aber nicht nötig, vor diesem Fondsmanager zu warnen.
Kosten
Der Fonds hat für eine Neuauflage relativ niedrige Kosten. Die DWS gibt auf ihrer Internetseite eine Gebühr von 1,15% p.a. an. Das ist im Marktvergleich für solche Produkte eher im unteren Bereich. Etwa knapp die Hälfte davon dürfte die Postbank jährlich als Bestandsprovision oder „Kickback“ erhalten. Natürlich kenne ich diesen Wert nicht sondern schätze nur, was marktüblich ist.
Der Ausgabeaufschlag ist mit 3,5% für einen Mischfonds auch eher normal angesetzt. Wobei diese Größe mittlerweile eher fiktiv ist, da man heutzutage so ziemlich jeden Fonds komplett ohne Ausgabeaufschlag bekommen kann (einfach mal nach „fondsdiscount“ googeln).
Neue Idee oder Marketinggag?
Defensive Mischfonds gibt es bei der DWS bereits einige. Ich kenne die recht große Pallete dieser Fondsgesellschaft nicht gut genug, um sagen zu können, ob sich darunter auch schon ein Fonds mit Absolute-Return-Ansatz befindet. Wenn nicht, dann wird es tatsächlich Zeit, denn der Trend geht eindeutig dorthin. Zumindest was die Auflage neuer Fonds angeht. Anlegergelder haben im Großen und Ganzen eher den Trend raus aus Fonds, als hinein. Sollte diesr Fonds funktionieren, wäre er zumindest ein gutes Argument gegen diesen Trend.
Fazit: Kann und soll man diesen Fonds kaufen?
Ich glaube man kann, ohne riesige Fehler zu machen. Die ganz schlimmen herben Verluste sind nicht zu erwarten, die Kosten sind in einem vernünftigen Rahmen und der Fondsmanager scheint keine Kasperlefigur zu sein.
Man darf natürlich keine riesigen Renditen erwarten. Die Chancen sind bei einem so defensiven Konzept naturgemäß nicht gewaltig. In der aktuellen Lage wäre ich bei so einem Fonds über 4% im Jahr schon sehr glücklich. In sehr guten Jahren wird es so ein Konzept schwer haben, den zweistelligen Prozentbereich zu erreichen. Aber das ist auch nicht wirklich nötig, wenn er in den sehr schlechten Jahren keine schlimmen Verluste einfährt. (Siehe: Die Sache mit der Rendite und dem Risiko).
Ob man ihn auch kaufen soll, ist so ne Frage. Der Fonds wird erst am 2.7.2012 aufgelegt. Wie erfolgreich das Konzept wirklich umgesetzt wird, weiß man erst nach ca. drei Jahren. Ich persönlich würde lieber einen Fonds nehmen, dessen Charakter man schon kennt und den man an Werten wie maximalem Verlust (maximum drawdown) und der Dauer der „Unterwasserphase“ (recovery period) messen kann.
Aber unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass Fonds hier schon schlechter weggekommen sind, als der DWS Top Portfolio Defensiv .. 😉