Lange war „die Lebensversicherung“ eine richtige deutsche Institution. So wie der Bausparvertrag, der Gartenzwerg und das Sauerkraut. Aber schon seit längerem sinkt das Ansehen dieses Vorsorgeproduktes ständig. Aber die Senkung des Garantiezinses bringt auch Chancen auf positive Überraschungen mit sich.
Die Gründe für die Imageverschlechterung sind vielschichtig. Sicher gibt es zuviele Fälle, in denen Verkäufer und Versicherungsgesselschaft gut an diesen Verträgen verdient haben, die Kunden aber drauflegen mussten. Besonders wenn der Vertrag nicht wirklich zu den Kundenbedürfnissen gepasst hat, also aufgeschwatzt wurde, oder sich die Lebensbedingungen des Kunden geändert haben.
Aber auch das fehlende Grundverständnis des deutschen Michels für die Zusammenhänge in der Kapital- und Zinswelt führt leider oft zu falschen Schlussfolgerungen.
Klar ist es enttäuschend, wenn am Ende weniger rauskommt, als die Beispielrechnung einst in Aussicht stellte. Das die Beispielrechnung zu einer Zeit gemacht wurde, als die Zinsen bei acht Prozent lagen und wir sechs Prozent Inflation hatten wird dabei gerne übersehen. Schuld sind natürlich die Anderen (hier gerne der Versicherer). Dass man selbst auch mal mitdenken und verstehen muss, was da so passiert, ist ja auch ganz klar zu viel verlangt.
Aber was reg´ ich mich auf? Die Welt ist halt so und sie dreht sich immer weiter.
Um nicht ewig ein Opfer der Geschehnisse an den Finanzmärkten zu bleiben, schauen wir und mal die aktuelle Situation und deren Auswirkungen für Kunden von Lebensversicherungen und Rentenversicherungen an.
Im Januar 2012 wurde der Garantiezins für Lebens- und Rentenversicherungen von 2,25% p.a. auf 1,75% p.a. gesenkt. Das ist übrigens keine Boshaftigkeit der Versicherer sondern eine Vorgabe des Gesetzgebers. Mehr dazu ist bei der Stiftung Warentest nachzulesen. Seit 1994 war das übrigens die vierte Senkung dieses Zinses. Damals lag er noch bei 4,0% p.a.. Grund sind die seitdem sinkenden Kapitalmarktzinsen (bedingt durchh die sinkende Inflation) in Deutschland und Europa.
Durch die gesunkene Inflation hat sich unter dem Strich nicht wirklich viel verändert. Diese Mindestverzinsung lag damals wie heute unterhalb der Inflationsrate. So gesehen also kein Grund für zusätzliche Aufregung.
Nur um die Dimension der Entwicklung mal darzustellen: Mitte der Neunziger habe ich Baufinanzierungen mit einem Zinssatz um 9% p.a. vermittelt. Heute zahlt man für solche Darlehen weniger als 4% p.a.!
Das führt dazu, dass die Versicherer auf die Gelder der Kunden auch weniger Zinsen bekommen. Dafür frisst die Inflation auch weniger auf. Unter dem Strich ist die Lebensversicherung also nicht schlechter geworden.
Natürlich auch nicht besser.
Eine negative Auswirkung auf die Überschüsse und die Ablaufleistung ergibt sich aber doch aus dem sinkenden Zinsniveau:
Hat jemand einen Vertrag, der Mitte der Neunziger mit einem garantierten Zins von 4% abgeschlossen wurde, dann kostet diese hohe Garantie unter dem Strich Gewinnchancen. Grund ist, dass die Versicherer, wie Allianz, Ergo und wie sie alle heißen, einen Teil des Sparbeitrages des Kunden sicher und langfristig so anlegen müssen, dass am Ende diese 4% sicher rauskommen. Nur was darüber hinaus vom Sparbetrag übrig bleibt, kann so angelegt werden, dass es die Überschüsse gibt, die in der Beispielrechnung prognostiziert wurden. (Diesen Zusammenhang habe ich in Verbindung mit Garantiefonds schon einmal beschrieben) Momentan ist es schon fast unmöglich, irgendwo überhaupt sicher 4% p.a. zu erzielen. Dass da noch was für die Rendite übrig bleibt, scheint wenig wahrscheinlich.
Aber wo Schatten ist, da ist auch Licht! Was ist denn, wenn man heute bei diesem sehr niedrigen Zinsniveau so einen Vertrag mit garantierten 1,75% abschließt und die Zinsen im Laufe der Zeit wieder steigen? Sehr viel fallen können sie ja nicht mehr…. .
Nehmen wir mal an, die Zinsen für deutsche Staatsanleihen erreichen mittelfristig wieder ein angemessenes Niveau von z.B. vier Prozent im Jahr. Dann könnten die Profis bei der R+V, der Sparkassenversicherung, der Cosmos oder wo auch immer, mit einem relativ kleinen Teil des Sparbeitrages die Garantie von 1,75% sicher stellen und der Rest kann für die Erzielung von Überschüssen genutzt werden. Und wenn am Ende die Gesamtsumme stimmt, dann interessiert doch niemanden mehr der ursprünglich garantierte Betrag, oder?
Vielleicht ist es also an der Zeit, einmal gegen den allgemeinen Trend zu handeln und selbst über die Zusammenhänge nachzudenken? Das soll in Sachen Kapitalanlage ja meistens nicht so verkehrt sein.
Nachsatz:
Die vorangegangenen Betrachtungen sind nur geeignet, die ganz groben Zusammenhänge zu veranschaulichungen. Die tatsächliche Vorgehensweise der Versicherer ist wesentlich komplexer. Versicherungsmathematik ist jetzt nicht gerade ein Thema für Hauptschulabbrecher. Es werden Durchschnitte und Rückstellungen gebildet, Glättungen vorgenommen und vieles mehr, was dieses ganze Thema leider sehr intransparent werden lässt.
Aber mein Tipp bleibt:
Nicht immer alles übernehmen, was so berichtet und erzählt wird. Auch wenn die Quelle so vertrauenswürdig erscheint wie die Stiftung Warentest. Selbst denken und eigene Fragen stellen! So macht man wenigstens nicht die gleichen Fehler wie alle Anderen..!
Sehr richtig, was hier insbesondere bzgl. „gegen den Trend“ geschrieben wird. Ich behaupte mal dreist, dass viele gar nicht wissen, was ein Trend eigentlich ist. Scheinbar herrscht in den Köpfen die Gleichung „Trend = Staus Quo“ vor. Nichts könnte falscher sein.